DIJV - Reaktionen auf Justizumbau in Israel

19.06.2023

Die Knesset hat am 24. Juli 2023 ein Gesetz verabschiedet, mit dem eine Überprüfung von Entscheidungen der Regierung und der Exekutive auf ihre „Angemessenheit“ durch Gerichte, insbesondere durch den Supreme Court, untersagt werden soll. Dieses Vorhaben hatte bereits im Vorfeld zu landesweiten Protesten geführt. Gespräche über einen Kompromiss waren zuvor gescheitert.

Vertreter der DIJV sind in der Folge von verschiedenen Medien um Statements gebeten worden, auf die wir Sie gerne aufmerksam machen wollen. 

Statement unserer Präsidentin Brigitte Zypries für den NJW-Newsletter vom 26. Juli 2023:

Verfassungskrise in Israel

Am Nachmittag des 25.7.2023 sollte die Präsidentin des Supreme Court of Israel, Esther Hayut, gemeinsam mit dem Präsidenten des BVerfG, Stephan Harbarth, in Karlsruhe bei einer Veranstaltung zum Thema „Herrschaft des Rechts: Die Verfassungsgerichte in Israel und Deutschland“ auftreten. Angesichts der Ereignisse in ihrer Heimat, die den Titel der Tagung reichlich optimistisch erscheinen lassen, brach sie ihren Besuch in Deutschland vorher ab.

Am Tag zuvor hatte das israelische Parlament Ernst gemacht mit seiner umstrittenen Justizreform und die Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel beschlossen. Auf diese konnte sich das Oberste Gericht bisher berufen, um Entscheidungen der Regierung oder einzelner Minister zu prüfen und als „unangemessen“ einzustufen. Die Opposition, die Anwaltskammer und mehrere Nichtregierungsorganisationen haben angekündigt, wegen des Gesetzes den Supreme Court anzurufen. Hayut und ihre Richterkollegen stehen dann vor der schweren Entscheidung, ob sie in ihre eigene Entmachtung eingreifen.

Aus Deutschland blickt man seit Beginn der Reformpläne mit großer Sorge auf die Entwicklungen in Israel. Die Deutsch-Israelische Juristenvereinigung (DIJV) und Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer hatten bei Gesprächen in Tel Aviv und Jerusalem den weitgehenden Umbau der Judikative deutlich kritisiert. Aus ihrer Sicht hebt er das System der Kontrolle und des Ausgleichs durch Justiz und Anwaltschaft aus den Angeln. „Das jetzt verabschiedete Gesetz reißt ein empfindliches Loch in das fragile Rechtssystem Israels, das weder eine geschriebene Verfassung kennt noch eine Kontrolle durch föderale Kompetenzverteilung und den Zwang zur Zusammenarbeit bei der Gesetzgebung, wie er bei uns besteht“, sagte die frühere Bundesjustizministerin und Präsidentin der DIJV Brigitte Zypries gestern der NJW. Die Vereinigung hofft, dass weitere Versuche unternommen werden, um den Konflikt im Verhandlungsweg beizulegen. „Eine Entmachtung der unabhängigen Judikative wäre der Weg zu einem totalitären Staat“, so Zypries.

Setzt die Regierung wie geplant noch weitere grundlegende Teile der Justizreform um, wäre auch die Anwaltschaft betroffen. Vorgesehen ist unter anderem die Auflösung der Israel Bar Association, ein entsprechender Gesetzentwurf ist bereits in die Knesset eingebracht worden. Er sieht anstelle der Bar Association einen Anwaltsrat vor, dessen Mitglieder vom Justizministerium ernannt werden. Dieses Gremium soll künftig über die Zulassungen zur Anwaltschaft entscheiden – aus Sicht der BRAK würde damit die anwaltliche Selbstverwaltung abgeschafft. Sie bat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) um eine Intervention im Interesse der israelischen Anwaltschaft.

(Autor: Tobias Freudenberg, Schriftleiter)

Für Erläuterungen und Hintergründe der Justizreform in Israel empfehle ich an dieser Stelle unser Interview mit dem Völkerrechtler und Vorstandsmitglied der DIJV Prof. Dr. Christian Walter, NJW H. 10/2023, S. 12. Es ist online abrufbar: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/magazin/detail/angriff-auf-die-justiz .

Statement von Prof. Dr. Roman Poseck, Hessischer Staatsminister der Justiz und DIJV-Vorstandsmitglied für die Hessenschau vom 25. Juli 2023:

https://www.hessenschau.de/politik/minister-poseck-zu-israel-netanjahu-regierung-legt-axt-an-liberalen-rechtsstaat-v1,poseck-israel-justizreform-100.html

Das Statement wurde auch im israelischen Newsportal Ynet zitiert:

https://www.ynet.co.il/news/article/rk3pzppq2?utm_source=ynet.app.android&utm_medium=social&utm_campaign=general_share&utm_term=rk3pzppq2&utm_content=Header

Fragen von MDR Aktuell vom 25. Juli 2023 an die deutsche Botschafterin in Israel a.D., Dr. Susanne Wasum-Rainer, Mitglied der DIJV:

https://www.mdr.de/audio-2388286_zc-61c1655f_zs-94656218.html

Gastbeitrag von Elmar Esser, 1. Vorsitzender der DIJV in der Legal Tribune Online vom 26. Juli 2023:

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/israel-supreme-court-justiz-demokratie-proteste-ende-rechtsstaat/

Wir werden die Entwicklungen selbstverständlich weiterhin sehr aufmerksam verfolgen und Sie auf dem Laufenden halten.